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              | Date: 2001-08-13 
 
 Die ETSI Dossiers, Teil III-.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.-
 
 Erich Moechel 13.08.2001
 
 Langversion
 http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/9306/1.html
 
 Vollständiger Text "Lauschangriff: Die ETSI-Dossiers III" in: c't 17/2001, Seite 78
 
 Mit At Aspekten
 http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=75828
 
 ETSI DOSSIERS I und II
 http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7220/1.html
 
 http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7447/1.html
 
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 Die Frist läuft noch bis 31. August: Dann haben die Mitglieder der
 Arbeitsgruppe "Lawful Interception" (SEC LI) des European
 Telecom Standards Institute (ETSI) über ES 201 671 abgestimmt.
 Die vollständig erneuerte Version 2.1.1 des universellen
 Schnittstellen-Standards, der Polizei und Nachrichtendiensten
 Zugang zu allen digitalen Netzen verschaffen soll, ist als "Final
 Draft" bereits in Umlauf. Als europäischer Standard
 festgeschrieben wird damit ab Ende dieses Monats ein System von
 Überwachungs-Schnittstellen für alle digitalen Telefonnetze (PSTN,
 ISDN, GSM, GPRS); die Zapfstelle für den Behörden- und
 Betriebsfunk TETRA wird nachgereicht - ironischerweise stellen
 gerade zahlreiche Polizeibehörden ihre eigene Kommunikation in
 ganz Europa auf TETRA um. Die publizierten Überwachungs-
 Standards stehen auf dem ETSI- Server zur Verfügung, über die
 Suche im Dokumententitel, Eingabe "interception".
 
 
 Die in der c't (7/2001 und 9/2001)1 und in Auszügen in Telepolis
 erschienen ETSI-Dossiers, in denen personelle und institutionelle
 Verflechtungen der ETSI- Arbeitsgruppe zu Geheimdiensten aus
 Holland, England, Russland und Israel aufgezeigt wurden, lösten
 bei der ETSI ziemliche Aufregung aus ( Die ETSI-Dossiers, Der
 Griff der Geheimdienste nach dem Internet). Rechtliche Schritte
 gegen die c't sowie die Online-Magazine Telepolis und ORF
 Futurezone wurden gefordert, wobei die Publikation mehrerer
 geheimer Originaldokumente mit Namenslisten der Arbeitsgruppe
 ETSI SEC LI auf der US-Website Cryptome weiteres Öl ins Feuer
 goss. Die Angelegenheit gelangte bis in die Geschäftsführung des
 ETSI, die ihre Anwälte einschaltete. Bis Redaktionsschluss dieser
 Ausgabe lag allerdings noch kein definitives Ergebnis vor, ob und
 weswegen gegen den Heise Verlag, den ORF sowie den Betreiber
 von Cryptome rechtliche Schritte eingeleitet werden sollen.
 
 
 Die ETSI und ENFOPOL
 
 
 Das enge Zusammenspiel von Polizei und Politik, von Technik und
 Geheimdiensten hat freilich nicht erst im Jahr 2001 begonnen,
 erste Indizien gehen bis auf das Jahr 1993 zurück. Für die
 Öffentlichkeit blieben die gemeinsam von FBI und internationalen
 Polizeibehörden in den ILETS (International Law Enforcement
 Telecom Seminars) ausgearbeiteten Masterpläne jahrelang
 unbekannt. Die britische Bürgerrechtsgruppe Statewatch brachte
 Teile der Pläne ("The EU-FBI Surveillance System") erstmals
 Anfang 1997 an die Öffentlichkeit ( ILETS, die geheime Hand hinter
 ENFOPOL 98).
 
 ...
 
 "On journalistic interest"
 
 
 Dass nach mehreren Jahren ihrer öffentlich so gut wie nicht
 beachteten Tätigkeit nun steigendes Medien-Interesse an der
 europaweiten Standardisierung von "Lawful interception" besteht,
 scheint die Führung der Arbeitsgruppe SEC LI beträchtlich zu
 irritieren. "Um alle Zweifel auszuschalten", sei betont, dass die
 Arbeitsgruppe LI nicht vorhabe, "die Diskussion über ihre Arbeit zu
 behindern oder einzuschränken", leitete SEC LI Vorsitzender Robin
 Gape seine Mitteilung "On journalistic interest" an alle Mitglieder
 der Arbeitsgruppe ein. Es sei auch nicht Sache des ETSI,
 Journalisten vorzuschreiben, wie sie ihre Arbeit zu tun oder wie sie
 vorliegende Informationen zu bewerten hätten.
 
 Was allerdings die Erwähnung von Namen der an SEC LI
 Beteiligten betreffe, so der Vorsitzende von SEC LI weiter, sei
 dieser Umstand "ungeheuerlich" (iniquitous). Der Heise-Verlag und
 der ORF mögen sich in Zukunft in Publikationen gut überlegen,
 dass dies auch als persönliche Bedrohung der jeweiligen Personen
 aufgefasst werden könne. Zudem verwechsle der Autor dieses
 Artikels in seinen Publikationen für c't und ORF Futurezone "lawful
 interception" notorisch mit "jenen Aktivitäten nationaler
 Nachrichtendienste", die "strikt ausserhalb der Aktivitäten der
 Arbeitsgruppe LI angesiedelt" seien. Unter den Adressaten dieses
 Schreibens befanden sich unter anderem die SEC-LI-Mitglieder
 Koen Jaspers als Vertreter des holländischen
 Geheimdienstkomitees "Platform Interceptie, Decryptie en
 Signaalanalyse" (PIDS) sowie Viacheslav Gusev und Evgeny
 Zharov vom russischen "Zentralinstitut zur wissenschaftlichen
 Erforschung von Telekommunikation" (ZNIIS).
 
 Als weitere Vorgehensweise schlug Robin Gape vor, über dessen
 Funktion bei British Telecom weder von ihm selbst noch von BT
 irgendeine Auskunft zu erhalten war, den Betreiber der US-Website
 Cryptome, wo einige nicht zur Publikation bestimmte Dokumente
 von SEC LI erhältlich sind, durch ETSI-Anwälte auffordern zu
 lassen, die Dokumente vom Netz zu nehmen. Zeitgleich sollten
 Schreiben an den Heise-Verleg und den ORF mit der Aufforderung
 ergehen, die Links zu Cryptome in Futurezone und Telepolis zu
 entfernen. Die zitierte Mitteilung ging nicht nur an die Mitglieder der
 Arbeitsgruppe SEC LI, sondern wurde auch an die deutsche
 Regulierungsbehörde RegTP und an das österreichische
 Ministerium für Transport, Innovation und Verkehr gerichtet.
 
 In einem weniger formellen Schreiben, nämlich dem internen
 Report des Chairman SEC LI zum 28. Treffen der Arbeitsgruppe
 SEC LI vom 15. bis 17. Mai in Hamburg, schlug Robin Gape freilich
 eine andere Tonart an. Wie könne man es überhaupt wagen,
 vertrauliche Dokumente der Arbeitsgruppe, die obendrein unter dem
 Copyright des ETSI stünden, zu zitieren oder womöglich auch zu
 publizieren? Die Einladung zu einer Podiumsdiskussion im
 Rahmen eines Symposions zum Thema Surveillance in Design an
 der London School of Economics (LSE) lehnte der Vorsitzende der
 ETSI- Arbeitsgruppe "Lawful Interception" hingegen trotz
 garantierter Redezeit ab ( Protokolle des "International Forum on
 Surveillance by Design").
 
 Am 22. September 2000, als die Recherche am Komplex ETSI
 SEC LI erste signifikante Schlussfolgerungen zuließ, erschien an
 der LSE vielmehr eine Delegation von vier ernst in die Welt
 blickenden Herren mittleren bis fortgeschrittenen Alters, die sich
 allesamt mit Hotmail-Adressen angemeldet hatten. Man nahm in
 der letzten Reihe Platz, notierte nach Kräften mit und nahm den
 Verlauf der Diskussion offenbar übel. Dies resultierte in einer von
 einem nachweislich echten, offiziellen Account gerichteten Mail
 des ETSI-SEC LI Regulars Rupert Thorogood an den Autor. Inhalt
 des Schreibens war, dass Letztgenannter sich wohl gehütet hätte,
 den Mund am Podium so voll zu nehmen, hätte er gewusst, dass
 drei Vertreter von ETSI SEC LI und ein Repräsentant der
 Arbeitsgruppe Polizeiliche Zusammenarbeit (PCWG) im Publikum
 alles notierten. Das eigentlich Spaßige dabei war, dass Bekannte
 von der holländischen Nettime-Mailinglist zufällig neben Mr.
 Thorogood zu sitzen kamen und aus Gründen räumlicher
 Beengtheit von den Notizen gleichsam Notiz nehmen mussten. Um
 Reputation und Privatsphäre der genannten Person zu wahren, fand
 keine der durch diesen Zufall gewonnenen Erkenntnisse Eingang in
 diesen Artikel.
 
 Was den weiteren Fortgang der Arbeiten in der Arbeitsgruppe SEC LI betrifft, so widmet man sich neben der Neufassung der "International User Requirements" in TS 101 331 den Vorarbeiten zur Überwachung von Breitband-Internet-Zugängen via Kabelmodem. Die nächste Sitzung findet vom 11. bis 13.
 September
 auf Einladung von Lucent in Warschau statt.
 
 
 
 
 
 
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 edited by Harkank
 published on: 2001-08-13
 comments to office@quintessenz.at
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