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                Date: 1999-08-25
                 
                 
                Grosser Bruder: IMSI-Catcher in AT
                
                 
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      [Folgende Analyse ist heute im "Falter" als Gastkommentar  
erschienen. Etwaige technische Unschärfen ersuchen wir  
nachzusehen, da sich der Anspruch an möglichst breiter  
Verständlichkeit orientiert hat] 
 
Kaum einen Monat verfügt die heimische Polizei über ein Gerät, mit  
dem sie organisierte Kriminelle, die mit Wertkartenhandys  
kommunizieren, verfolgen kann, und was passiert? Anstatt den  
Zuwachs an öffentlicher Sicherheit zufrieden hinzunehmen, bringt  
irgendein Paranoiker das an die Öffentlichkeit und schreit dazu:  
Achtung, Überwachungsstaat! 
 
Und dann wird auch noch damit argumentiert, dass dieser  
sogenannte "IMSI-Catcher" [International Mobile Subscriber Identity]  
bei der Obersten Fernmeldebehörde nicht ordnungsgemäß gemeldet  
war. Haben die Leute nichts Besseres zu tun, als unsere Polizei mit  
Spitzfindigkeiten am Überwachen nigerianischer Drogendealer zu  
hindern? 
 
Gewöhnlich ist die öffentliche Debatte hierzulande mit Rhetorik  
dieser Art schon wieder beendet. Die wesentlichen Fragen aber  
werden, weil technischer Natur, ganz einfach nicht gestellt.   
 
Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich bei dem vom  
Innenministerium angeschafften Gerät um eine von der Münchner  
Firma Rohde & Schwarz entwickelte Mixtur aus mobilem  
Hochfrequenz-Sender, Funk-Scanner und Messgerät mit integrierter  
Datenverarbeitung der Serie "GA 900" [oder höher]. Der "IMSI- 
Catcher" verhält sich gegenüber jedem Teilnehmer im Umkreis wie  
eine gewöhnliche Basisstation irgendeines Mobilfunknetzes. Jedes  
eingeschaltete Handy in der Nähe bucht sich damit automatisch  
beim "IMSI-Catcher" ein. 
 
Die Gespräche werden an das Mobilnetz unbemerkt weitervermittelt,  
weil sich der "IMSI-Catcher" gegenüber der nächsten, echten  
Basisstation als jenes Handy ausgibt, das er soeben übernommen  
hat. 
 
Was mit den eingefangenen Gesprächen passiert, liegt alleine im  
Ermessen der Betreiber, zumal technisch damit vieles möglich ist.  
Routinemäßig werden alle Telefonate mit ihren Eckdaten - wer wann  
wo mit wem wie oft und wie lange - erfasst, wobei auch  
Wertkartentelefone nicht ausgenommen sind. 
 
Im Unterschied zu echten Basistationen zwingt der "IMSI" nämlich  
jedes Handy, seine weltweit unverwechselbare Kennnummer, die in  
der Hardware steckt, herauszugeben. Diese "International Mobile  
Subscriber Identity" kann sonst nur über den Betreiber des  
Handynetzes herausgefunden werden, der dafür auf einem  
richterlichem Bescheid oder einer ähnlich altmodisch- 
rechtstaatlichen Vorgangsweise bestehen könnte. 
 
Dass jedes vermittelte Handytelefonat auch im Klartext  
aufgezeichnet werden kann, ist nur deshalb möglich, weil der  
Catcher in seiner gesamten Funktionsweise auf ein seit Jahren  
bekanntes Sicherheitsloch im GSM-Netzwerkstandard baut. 
 
Im Unterschied zum völlig offenen, analogen 0663-Netz operieren alle  
GSM-Netze mit einer passablen Verschlüsselung der Gespräche  
zwischen den Stationen - mit einer Ausnahme. Justament auf der  
letzten Meile - Handy zur ersten Relaystation im Netz - ist eine  
Lücke im Protokoll: Nur das Handy muss sich identifizieren, nicht  
aber umgekehrt die Basisstation. 
 
Dieses Sicherheitsmanko aller GSM-Netze macht den maskierten  
Lauschangriff per "IMSI-Catcher" erst möglich während eine  
technisch unproblemlatische, gegenseitige Authentifizierung solches  
verhindern hätte. Dass in der internationalen GSM-Spezifikation  
darauf verzichtet wurde, hat nach Ansicht aller mit dem Thema  
befassten Security-Analysten nur einen Grund. Diese Sollbruchstelle  
der vertraulichen Kommunikation wurde unter dem Druck von  
Geheimdiensten und Polizei ins GSM-Protokoll eingefügt. 
 
Als sicher gilt, dass neben dem Innenministerium mindestens noch  
einer der beiden militärischen Geheimdienste, Heeresnachrichtenamt  
oder Heeresabwehramt, über ein weiteres Gerät verfügt, die es ihnen  
ermöglichen, in den GSM-Netzen mit einer Wildcard ausgestattet,  
unsichtbar zu operieren.  
 
Aufgrund der technisch fast perfekten Tarnung weiß abgesehen von  
den Betreibern des Lauschangriffs niemand, wann, wo, wie oft und  
warum ein IMSI-Catcher im Einsatz ist und was mit der erhobenen  
Datenmenge geschieht. Die Handy-Netzbetreiber, auf deren  
Mitwirkung die Polizei bis dato bei jedem GSM-Lauschangriff  
angewiesen war, können ab nun nicht mehr mit Gewissheit sagen,  
was in ihrem jeweiligen Netz passiert. 
 
In einen Kleinlaster gepackt, der irgendwo im ersten Bezirk  
abgestellt ist - die Drogenmafia bevorzugt bekanntlich City-Treffs -  
wäre jedes der existierenden Geräte in der Lage, die Eckdaten aller  
Mobiltelefonate von und zum Parlament, Bundeskanzleramt,  
Parteizentralen, Zeitungsredaktionen & c zu protokollieren und nach  
bestimmten Prioritäten automatisch auszuwerten. In der Praxis ist  
das natürlich undenkbar, da sowohl Innen- wie Verteidigungsminister  
stets über alle Aktivitäten ihrer Beamten Bescheid wissen und derlei  
nie gestatten könnten. 
 
Da IMSI aller Teilnehmer, die sich mit eingeschaltetem Handy in der  
Funkzelle des Catchers aufhalten, bestimmt wird, ist es genauso  
möglich, gezielt nach einem bestimmten Handy zu fahnden, um es  
dann abzuhören. Wieviele Gespräche gleichzeitig im Klartext  
mitgeschnitten werden können, ist nicht genau bekannt. Auf Grund  
der technischen Entwicklung ist als sicher anzunehmen, dass diese  
Kapazität in naher Zukunft rasant steigen wird. 
 
Desgleichen ist auch die nächste Drehung der Eskalationsspirale  
rund um den automatisierten Lauschangriff bereits abzusehen. Seit  
1997 drängen immer mehr und immer bessere Programme für  
Spracherkennung auf den PC-Konsumentenmarkt. Ebenso wie  
drahtlose digitale Multichannel-Kommunikation, zu der auch GSM  
gehört, stammt "Digital Voice Recognition" aus dem militärischen  
Forschungsbereich, der dem zivilen bis jetzt immer ein gutes Stück  
voraus war. Handys und damit deren Hardware-Identifikation kann  
man wechseln oder gar zerstören. Die nächste Generation von "IMSI"- 
Catchern aber wird anders heißen, weil sie nach einer anderen  
Subscriber Idenfication sucht: nach dem digitalen,  
unverwechselbaren Stimmprofil eines Individuums.   
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edited by Harkank 
published on: 1999-08-25 
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