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              | Date: 1999-11-30 
 
 vibe + quintessenz zu Enfopol-.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.-
 
 q/depesche  99.11.30/1
 
 Gemeinsame Erklärung von VIBE & quintessenz zu
 ENFOPOL anläßlich der Pressekonferenz
 des Forums Mobilkommunikation "Enfopol -
 Vorstufe zum totalen Überwachungsstaat"
 
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 Da Telekommunikation (zu der auch Telefonie und
 Mobiltelefonie gezählt werden sollte) eine
 zunehmende Rolle in der Gesellschaft spielt,
 stellt sich natürlich auch die Frage, welche
 Auswirkungen dieser Trend auf die
 Strafverfolgung hat. Die Europäische Union hat
 unter dem Titel "ENFOPOL 98" [und Folgepapiere]
 Vorschläge zur Überwachung von
 Telekommunikationsnetzen ausgearbeitet. Diese
 Richtlinien sind unserer Meinung nach überzogen
 und demokratiepolitisch äußerst bedenklich.
 
 Daß die gesetzlich zur Aufklärung von
 strafrechtlich relevanten Delikten zuständigen
 Organe das Internet nicht ignorieren können,
 steht außer Frage. Im Gegenteil, es ist zu
 befürworten, daß auch die sich hier bietenden
 Möglichkeiten zur Aufklärung von Verbrechen
 genutzt werden. Aber wie auch in anderen
 Bereichen dürfen die Grundprinzipien der
 Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der
 Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht außer acht
 gelassen werden. Hier liegen unsere Bedenken zu
 ENFOPOL.
 
 Derzeit regelt das österreichische Recht genau,
 unter welchen Bedingungen eine Aufhebung des
 grundrechtlichen Schutzes des
 Fernmeldegeheimnisses zulässig ist. Im Zuge von
 ENFOPOL ist aber auch ein grenzüberschreitendes
 Abhören vorgesehen, ohne daß dies in allen
 betroffenen Ländern richterlich abgesegnet sein
 muß. Das ist unserer Meinung nach bei einem
 Eingriff in Grundrechte nicht tolerierbar.
 
 Weiters spezifieren die ENFOPOL-Vorschläge
 nicht, wie weit die Kooperation der
 Telekommunikationsprovider gehen muß, und welche
 Daten wirklich in Echtzeit weitergegeben werden
 müssen. Eine klare Regelung wäre im Sinne der
 Rechtssicherheit zu begrüßen.
 
 Wie konnte es passieren, daß solch weitgehende
 Abhörpläne fast unbemerkt von der Öffentlichkeit
 beschlossen werden ? Wenn man sich die
 spärlichen Informationen zusammensucht, die zu
 ENFOPOL öffentlich erhältlich sind, so ergibt
 sich folgendes Bild: Es wurden diverse
 Geschäftsordnungstricks benutzt, um den Entwurf
 im EU-Parlament an jeder inhaltlichen Diskussion
 vorbei zu beschließen. Nachdem sich Widerstand
 gegen das ENFOPOL-Paket regte, wird jetzt
 versucht, die einzelnen Forderungen von ENFOPOL
 auf andere nationale Gesetzesvorhaben und
 internationale Verträge aufzuteilen.
 
 Abgesehen von unseren prinzipiellen Vorbehalten,
 sehen wir auch folgende konkrete
 Einzelkritikpunkte an dem derzeitigen ENFOPOL-
 Entwurf:
 
 Wir halten es für untragbar, daß die
 Netzbetreiber selber die Abhöreinrichtungen
 installieren und bezahlen sollen, denn diese
 Kosten würden natürlich an deren Kunden
 weitergegeben.  Unseren Schätzungen nach würde
 dies zu einer signifikanten Erhöhung der Preise
 für Internetanbindungen führen. Die zur
 Installation der Abhöreinrichtungen nötigen
 Investitionen würden einige kleinere Internet
 Service Provider (ISPs) nicht aufbringen können,
 was die Optionen für den Konsumenten
 einschränken würde.
 
 Wenn neuere Zugangstechniken (xDSL, Funk, Kabel,
 GPRS, ...) erst eingeführt werden können, sobald
 für die dort eingesetzen Geräte
 Abhörschnittstellen verfügbar sind, so führt
 dies zu einer erheblichen Einschränkung des
 Innovationspotentials der Branche. Es kann nicht
 angehen, daß Internetbenutzer nur wegen ENFOPOL
 auf alte, langsame und teure Verbindungen
 angewiesen sind.
 
 ENFOPOL fordert auch, daß der
 Kommunikationsprovider jede von ihm verwendete
 Verschlüsselung im Falle einer angeordneten
 Überwachung umgehen kann, um den Behörden die
 Inhaltsdaten im Klartext zu übermitteln. Damit
 darf der ISP dem Kunden keine ernsthafte VPN
 (Virtual Private Network) Lösung verkaufen und
 muß auch bei der Installation von sicheren e-
 commerce Lösungen passen. Es kann nicht im Sinne
 der Verbraucher sein, daß ISPs diese
 Dienstleistungen nicht anbieten können.
 
 Wenn schon ENFOPOL Anforderungen an die
 Betreiber von Kommunikationseinrichtungen
 stellt, so sollte dort auch festgeschrieben
 sein, daß die abhörenden Behörden öffentlich
 Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen müssen.
 Wir erwarten uns, daß die Informationen über die
 Anzahl der Abhöraktionen,  den jeweiligen
 Anlässen, und mit welchen dabei entsandenen
 Kosten regelmäßig publiziert werden.
 
 Über VIBE: Der Verein für Internet-Benutzer
 Österreichs (VIBE.AT) sieht sich als Vertretung
 der gesellschaftlichen Interessen der hiesigen
 Online-Community. Seit der Gründung im Frühjahr
 1999 war VIBE u.a. an der Durchsetzung des Spam-
 Verbotes und der Verleihung der BigBrother-
 Awards beteiligt.
 
 WWW: http://www.vibe.at
 Email: info@vibe.at
 Telefon: +43 (676) 5202160
 (Ingo Ließegang, ingo.liessegang@vibe.at)
 
 
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 edited by Harkank
 published on: 1999-11-30
 comments to office@quintessenz.at
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