Offener Brief der ISPA (Internet Service
Provider Austria),
der 93 österreichische Provider
angehören an
Herrn Bundeskanzler Mag. Viktor KLIMA,
Ballhausplatz 2 A-1010 WIEN
cc:
Hrn. Vizekanzler Mag. Dr. Wolfgang
SCHÜSSEL
Hrn. Bundesminister Dr. Caspar
EINEM/BM für Verkehr
Hrn. Bundesminister Dr. Nikolaus
MICHALEK/BM für Justiz
Hrn. Bundesminister Mag. Karl SCHLÖGL/BM
für Inneres
Hrn. Sektionsleiter Dr. Wolf OKRESEK/BKA,
Sektion V,
Wien, am 15. März 1999
Betreff: Offener Brief der ISPA bezüglich
der rechtmäßigen Überwachung des Fernmeldeverkehrs
Sehr geehrte(r) Hr. Bundeskanzler!
Der Verband der Internet Service Provider
Austria ISPA möchte nach Prüfung der ihm vorliegenden Unterlagen
für die Ausweitung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs
auf das Internet (Stichwort ENFOPOL 98) und nach Verfolgung der öffentlichen
Diskussion darüber wie folgt öffentlich Stellung beziehen:
Aus der laufenden Diskussion über
diesen Themenkreis wird deutlich, daß die Thematik des Datenschutzes
und Schutzes der Privatsphäre im Rahmen der strafrechtlichen
Verfolgung von Personen vor allem im globalen europäischen Fernmeldekontext
generell noch nicht ausreichend aufgearbeitet ist. Die Problematik
wird somit in einem umfassenden Kommunikationsbereich wie dem Internet
offensichtlich.
Unter Betonung darauf, daß das
Internet keine Sonderstellung zugunsten von strafrechtlich relevanten
Taten bekommen darf und daher auch auf die selbe Ebene wie bisherige
Kommunikations- möglichkeiten zu stellen ist, möchte die
ISPA an dieser Stelle einige, beispielhafte Bedenken zu den uns vorliegenden
Unterlagen anbringen:
1. Durch die zunehmende Konzentration
von Informationsangebot und Diensten im Internet erhält die Behörde
im Zuge einer personenbezogenen Überwachung eines Internet-Anschlusses
ein komplettes Personenprofil (welche Art an Informationen abgerufen
werden, was eingekauft wird, an welchen Diskussionsgruppen teilgenommen
wird, etc.) und damit eine Reihe an zusätzlichen, persönlichen
Daten, die nicht zwingend mit dem verfolgten Tatbestand in Zusammenhang
stehen und in dieser gesammelten Form heute nicht zugänglich
wären.
2. Eine Bereitstellung des E-Mail Verkehrs
von überwachten Personen in der Form, daß "die überwachte
Person keine Kenntnis über die Durchführung der Überwachung
erhält", geht weit über die derzeitigen Möglichkeiten
der Behörden in Bezug auf das Briefgeheimnis hinaus, wo die Einsicht
in den persönlichen Briefverkehr nur unter Wissen und Zustimmung
der betroffenen Person und durch den Untersuchungsrichter selbst unter
Protokollieren des Vorganges erfolgen kann.
3. Die Internet Service Provider haben
keinen Einfluß auf die Kommunikationsart und Mittel, der sich
die Internet-Anwender bedienen und somit keine technische Möglichkeit
alle bestehenden und zukünftigen Kommunikationsarten in Klarform
darzustellen. Vielmehr stellen Internet Service Provider auf Basis
von intelligenten Netzwerkfunktionen Zugang zu höherwertigen
Applikationen/ Informationen her. Sie betreiben in der Regel auch
nicht die dazu erforderlichen Fernmeldeleitungen.
4. Die Anpassung von Anforderungen zur
rechtmäßigen Überwachung des Telefonverkehrs an das
Internet durch alleinige Begriffsdefinitionen der technischen Parameter
ist unzureichend und mangelhaft. Der Grundgedanke zur rechtmäßigen
Überwachung von (Telefon-) Gesprächen kann nicht ohne dessen
inhaltliche Überprüfung und einer breiten, öffentlichen
Diskussion über die angestrebten Ziele der Personenüberwachung
auf das Internet mit seinen mannigfaltigen, medienkonvergierenden
Inhalten (privates Mail, WWW, Chat, Printmedien, Rundfunk, Fernsehrundfunk,
etc.) übertragen werden.
Die ISPA schlägt daher eine möglichst
breite, öffentliche Diskussion über die Überwachung
des Telekommunikationsverkehrs vor, die alle derzeitigen und absehbaren
Kommunikationsformen einschließt und an der sich die Internet
Provider gerne mit ihrem technischen Wissen einbringen. Der derzeit
vorliegende ENFOPOL98-Entwurf wird von der ISPA aufgrund von gravierenden
datenschutz- und verfassungsrechtlichen sowie technischen Bedenken
abgelehnt.
Darüber hinaus fordert die ISPA
eine weiterführende Kontrolle der zur Überwachung ermächtigten
Behörden durch die, die Überwachung in Auftrag gebenden
Richter - und dies in einer europäisch harmonisierten Weise -
um den verfassungsmäßigen und datenschutzrechtlichen Umgang
mit jenen im Zuge einer strafrechtlichen Verfolgung elektronisch erfaßten
Daten und Informationen, die nicht mit der strafrechtlichen Untersuchung
in Zusammenhang stehen, zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
ISPA - Internet Service Provider Austria
Mag. Georg Hahn Karl Hitschmann
Präsident Generalsekretär
Und
jetzt ...